Books
From credit to debt

Ivan Adamovich / Christoph Schaltegger (Editor)

With contributions by Claudia Aebersold Szalay, Ernst Baltensperger, Jacob Bjorheim, Konrad Hummler, Martin Rhonheimer, Michele Salvi, Gerhard Schwarz, Reto Sonderegger, Tobias Straumann, Kaspar Villiger.

When debt threatens freedom.

Credit is the lubricant for progress and development. But too much credit can lead to the debt trap. Global debt today is two to three times the annual global production of goods and services – and rising sharply. And debt crises have repeatedly caused devastating damage throughout human history. What are the causes and limits of excessive debt? At what point does debt threaten our freedom? And what can be done about it? An interdisciplinary book with answers to an old but highly topical problem.

Publisher: NZZ Libro
Published in: 2019
Price: CHF 38.00
ISBN: 978-3-03810-443-8

Books
How much government does Switzerland need?

Georg Kreis (Editor)

With contributions by Katja Gentinetta, René Rhinow, Walter Schmid, Christoph Schaltegger, Paul Schneeberger, Konrad Hummler, Markus Ritter, Astrid Epiney, Rico Valär.

How much state does Switzerland need? Experts from different schools of thought provide new answers to this virulent question. The book is intended to help you form your own opinion.

How much state does Switzerland need? A legitimate question, but a destructive one if only because it is asked at all. A common answer is: as much as necessary, as little as possible. Therein lies a basic reservation, as one has towards a necessary evil. Is that the right approach? Is there also an appreciation that assumes that “fortunately” the state and statehood exist? The answers to this question vary depending on the circumstances of the time and the sectors of society. The question of “how much?” is closely linked to the question of the type of regulation. Experts from diverse schools of thought and fields of experience discuss these questions and offer enriching templates for their own further thinking in specific areas of application.

Details

Dimensions: 13 x 21 cm
Book, Softcover
ISBN: 978-3-03810-399-8
Publication date: 27.03.2019

NZZ Libro_Wie viel Staat braucht die Schweiz?

Contribution by Konrad Hummler

Books
Total Data – Total Control

Null-Toleranz in allen Lebensbereichen
Konrad Hummler (Herausgeber), Fabian Schönenberger(Herausgeber), Progress Foundation (Herausgeber)

Wie stark sind unsere Freiheit und Privatsphäre in Zeiten von Big Data bedroht? Eine interdisziplinäre Autorenschaft reflektiert über Auswirkungen und Gefahren der digitalen Kontrolle.
Die modernen Informationstechnologien verbessern sich laufend, und ihre Möglichkeiten scheinen schier grenzenlos. Alle realen Geschehnisse werden detailgenau erfasst und sind beliebig auswertbar – Big Data ist zum Begriff der Stunde geworden. Die erhöhte Granularität der Daten eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit zur Totalkontrolle der Individuen. Zusammen mit einer allgemeinen, zeitgeistig erkennbaren Akzeptanz ergibt sich vielleicht eine Hinwendung zu einer neuen Kompromisslosigkeit – mit unabsehbaren Folgen. Das Buch «Total Data – Total Control» befasst sich mit der Frage der individuellen Bewegungs- und Gestaltungsfreiheit vor genau diesem Hintergrund. Die Aufsätze einer interdisziplinären Autorenschaft regen zum Denken an und fördern die Debatte zu diesem Thema.

Mit Beiträgen von Mathis Brauchbar, Bruno S. Frey, Hannes Grassegger, Allan Guggenbühl, Ernst Hafen, Matthias Haller, Matthias Holenstein, Konrad Hummler, Martin Killias, Martin Meyer, Fabian Schönenberger, Roberto Simanowski und Frank Urbaniok.

Books
Trial, error, interpretation

Konrad Hummler
Wegelin Investment Commentaries 1990-2010

Razor-sharp analyses – visionary theses

For the first time, Konrad Hummler’s investment commentaries are available in a collected form. Whether it is the dissolution of the Eastern bloc, the dwindling importance of politics, corporate governance or the future of banking secrecy – all relevant topics of the last twenty years are covered. Pointedly formulated and far-sightedly discussed, the complex interrelationships can be grasped by the layman in no time at all.

Books
Persönlichkeit und Verantwortung

Erinnerungen an Robert Holzach

Herausgegeben von Konrad Hummler, Martin Meyer und Urs Rinderknecht

Auszug aus der Zusammenfassung:

“Jede Zeit bringt ihre eigenen Eliten hervor. Robert Holzach hatte nichts gegen Funktionseliten einzuwenden. Aber er begriff die Aufgaben von Eliten im erweiterten Sinn des Wortes mehr noch als Mandate über das Spezifische hinaus im Blick auf das Ganze. Das Ganze meinte dann etwa das Wechselspiel zwischen Wirtschaft und Gesellschaft oder auch zwischen Politik und Kultur. Anders gesagt, Holzach plädierte für ein Denken in Zusammenhängen und handelte danach, womit er sich in der Öffentlichkeit grossen Respekt weit über sein Fachgebiet hinaus erwarb.”

Books
Stadtstaat – Utopie oder realistisches Modell?

Theoretiker und Praktiker in der Debatte

Erstmals setzt sich eine fächerübergreifende Autorenschaft mitdem Phänomen Stadtstaat auseinander, um eine gesellschaftlicheDiskussion über die Positionierung eines Kleinstaates in Europa und in einer globalisierten Welt einzuleiten. Was macht denCity State aus? Wie spielt er komparative Vorteile wie Machtbalance,Urbanität und Neutralität gegen die inhärente Verwundbarkeitdurch Auslandsabhängigkeit, binnenwirtschaftliche Isolierungund räumliche Enge aus? Ist das City-State-Konzept als möglicherdritter Weg für die Schweiz umsetzbar? Diesen Fragen gehen 15Autoren aus Sicht von Politik, Wirtschaft, Soziologie und Sicherheittheoretisch und empirisch nach.

ISBN 978-3-03823-708-2 (vergriffen)

Books
Das Recht auf sich selbst

Bedrohte Privatsphäre im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Freiheit

Konrad Hummler (Autor), Gerhard Schwarz (Herausgeber)

Die Terrorakte vom 11. September 2001 haben der grundlegenden Frage nach dem Spannungsfeld zwischen «Sicherheit» und «Freiheit» zusätzliche Brisanz verliehen. Wie weit darf der Staat unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung in die individuelle Privatsphäre eingreifen? Welche Risiken und welche Chancen bergen die sukzessive internationale Rechtsvereinheitlichung und der globale Datenaustausch für die Privatsphäre des Einzelnen? Wie stark und in welcher Weise wirken der technische und der naturwissenschaftliche Fortschritt auf die Privatsphäre? Die Zürcher Progress Foundation hat sich mit diesen Themen in mehreren geschlossenen Workshops und öffentlichen Economic Conferences auseinandergesetzt. Texte, die an diesen Veranstaltungen diskutiert und Referate, die dort gehalten wurden, werden nun zusammen mit Originalbeiträgen zu einem Sammelband vereint. Das Buch will in einer Zeit von staatlicher Umverteilung, Zentralisierung und Überwachung ein Zeichen für den Wert des Privaten setzen. Ausgangspunkt ist eine klassisch-liberale Haltung, welche sich für die nachhaltige Stärkung einer auf Wettbewerb, Privateigentum und Verantwortung beruhenden Zivilgesellschaft einsetzt.

ISBN 978-3-03823-052-6

Books
Automatisierte Rechtsanwendung und Rechtsdokumentation

Zur Eignung von Rechtssystemen für die Anwendung mittels elektronischer Datenverarbeitung

Auszug aus der Zusammenfassung:

«Als Ergebnis des zweiten Kapitels, in dem wir untersuchten, welche Bedingungen an ein Rechtssystem für die Automatisierung rechtlicher Entscheidungen gestellt werden, wiesen wir auf den prinzipiellen Unterschied ziwschen “gesetztem”, deterministischem, auf spezifische Zwecke und auf nach ihrer Art zum voraus als bekannt angenommener Fallkategorien ausgerichtetem Organisatonsrecht (“Thesis”) und einer “entstandenen”, in ihren spezifischen Auswirkungen unbekannten, übergeordneten Rechtsordnung (“Nomos”) hin. Die Automatisierung von rechtlichen Entscheidungen ist in der ersten Art von Recht unter bestimmten Voraussetzungen durchaus möglich, währenddem sie in der zweiten Art Recht keineswegs Platz greifen kann. Die Angst vor dem “Justizautomaten”, wie sie bei vielen Rechtsdenkern zum Ausdruck kommt, richtet sich deshalb nicht eigentlich gegen die Anwendung der EDV im Recht, sondern implizite gegen das Überhandnehmen deterministischer Rechtsformen allgemein. Wenn der Mensch vor einer “Technokratie” im Recht geschützt werden soll, so gälte es vor allem, der Ausbreitung des deterministischen Organisationsrechts den Riegel zu schieben, oder mit anderen Worten das Privatrecht (im weitesten Sinn) aufzuwerten.»

«Das elektronische Zeitalter ist im Recht zweifellos angebrochen. Dies stellt die juristische Profession und darüber hinaus jeden an rechtlichen Belangen interessierten Zeitgenossen vor neue Situationen. Es gilt nun einerseits, die durch die EDV gebotenen Chancen wahrzunehmen. Auf dokumentarischem Gebiet kann der Computer sehr viel mühselige Arbeit abnehmen, ja, er kann zu viel weitergehenden Dokumentierungsmöglichkeiten verhelfen, als sie dem Rechtsanwender bisher auf manuell-intelektuellem Wege zur Verfügung standen. Dies kann sicher zu einer besser dokumentierten Rechtsanwendung und mithin zu “besserem Recht” führen. Aber auch auf dem Gebiet der Automatisierung von rechtlichen Entscheidungen, wo diese einwandfrei Organisationsrecht betreffen, kann die EDV vielfältige Aufgaben erfüllen. Anderseits gilt es, angesichts des Überhandnehmens deterministischer Rechtsformen und der daraus resultierenden Technokratisierung des Rechts und des gesellschaftlichen Lebens, das Wesen einer offenen, unspezifischen, in ihrer Allgemeinheit gerechten Rechtsordnung und darüber hinaus den Wert einer freiheitlichen Ordnung überhaupt erneut in das juristische Denken einzubeziehen.»

Books
Switzerland as a small state – a model for success or a model to be phased out?

Konrad Hummler (Editor), Franz Jaeger (Editor), Progress Foundation (Editor)

What makes a small state? Which paths are actually feasible for a small state like Switzerland? How much autonomy is sensible and possible? What does it mean for Switzerland if Europe tilts politically?
In this book, an interdisciplinary group of authors examines the phenomenon of the small state and outlines ideas and alternative solutions. A compelling and urgent contribution to the current debate on Switzerland’s position on the European continent and in the world.

With contributions by Carl Baudenbacher, Thomas Bieger, Mathias Binswanger, Micheline Calmy-Rey, Reiner Eichenberger, Heinz Hauser, Karen Horn, Konrad Hummler, Franz Jaeger, Martin Janssen, Beat Kappeler, Hermann Lübbe, Daniel J. Mitchell, Robert Nef, Christoph Schaltegger, Urs Schoettli, Gerhard Schwarz, Rainer J. Schweizer, Hans-Werner Sinn, Michael Wohlgemuth and Stefan C. Wolter.

Miscellaneous
M1 Ag drawing

M1 AG has the privilege of being able to view current events and discuss current events without being under great production pressure. So that flashes of genius, surprising opinions, corrosive comments or original considerations are not lost, there is the section “Miscellaneous”. The articles in this section are brief and thematically focused.

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Miscellaneous
Bachs Kantaten sind Trost und Donner zugleich

Seit Kindheitstagen begleitet mich die Musik des Johann Sebastian Bach durchs Leben.

Von Konrad Hummler

Wenn Träume wahr werden, ist Vorsicht geboten. Denn der so entstandenen Wirklichkeit haftet das Visionäre, Kaum-Mögliche, Eigentlich-Undenkbare, ja Frivole noch immer an. Es steht quer in der Landschaft der Normalität. Aber vor allem: Träume sind zunächst eine individuelle Angelegenheit. Die Transformation zu einer von einem Kollektiv getragenen Bewegung ist jener Prozess, der aus einem Spinner einen Unternehmer macht. Dessen Einsamkeit bleibt dennoch sein grösstes Problem. Der geringste Anflug von Überheblichkeit ist ebenso schädlich wie Gefühle des Selbstzweifels zur Unzeit. Traum und Tragik sind in Wahrheit Geschwister.

Das gesamte Vokalwerk von Johann Sebastian Bach aufzuführen und in Ton und Bild gültig aufzuzeichnen, auf dass eines der wichtigsten abendländischen Vermächtnisse der kommenden Generation weitergegeben werden kann: Das war einer meiner Lebenswünsche. Zart verwurzelt in meinen Kindheitsjahren, als wir Knabensopräne das Duett “Wir eilen mit schwachen, doch emsigen Schritten” (BWV 78) von der Kirchenempore zwitscherten, verstärkt durch einige spielbare Ausschnitte aus den Suiten für Violine solo und das E-Dur-Konzert, definitiv verankert durch die mehrfach mitgesungene Matthäuspassion, verselbständigte sich diese Vision irgendwann und bekam durchaus bedrohliche Züge. Nämlich in der Vorstellung, nicht richtig gelebt zu haben, falls “es” nicht gelänge.

Dass es gelingt, verdanke ich dreierlei Umständen. Erstens, indem ich mitgestaltendes Element einer völlig anderen, wirtschaftlichen Vision wurde, die in die Wirklichkeit umgesetzt wurde. Dass die von uns als ökonomisches Gesamtkunstwerk verstandene Traumbank dann an der Wirklichkeit einer üblen internationalen Auseinandersetzung zerschellte, nährte meine Einsicht, dass mit wahr werdenden Träumen Vorsicht geboten ist. Wer etwas wagt, macht sich angreifbar. Wer jedoch machtlos, klein und allein ist, muss Angreifbarkeit um jeden Preis vermeiden. Dennoch: Der geplatzte Unternehmertraum liess wenigstens genügend Substrat als Basis für den anderen, den kulturellen Traum übrig.

Der zweite Umstand liegt im Zusammentreffen mit Rudolf Lutz. Der Organist, Pianist, Dirigent, Improvisator, Komponist, Didaktiker und Freund vereint genau das, was es zur Umsetzung einer so gigantischen Aufgabe braucht: beharrlichen Dauerimpetus auf höchstem Niveau. Drittes, unverzichtbares Element: Eine familiäre Umgebung, die mich machen lässt. Und nicht nur das: Sie empfindet den notwendigen Kapitaleinsatz nicht als Geldvernichtung, sondern, wie ich und viele andere, als Aufbau eines realen Aktivums, das jeden Gedanken an Verschleuderung einer finanziellen Anwartschaft vergessen lässt.

So gehe ich denn seit nunmehr zwölf Jahren durch mein Leben mit monatlich einer neuen Bachkantate. Einem einzigen Zwanzig- bis Vierzig-Minuten-Stück, das zweifach aufgeführt wird. Das heisst, dieselbe Musik erklingt jeweils doppelt, unterbrochen von einer “Reflexion”, einem Wortvortrag eines interessanten Zeitgenossen. Wir Veranstalter erwarten von diesem eine authentische Auseinandersetzung mit Kantatentext und Musik. Unvergessen sind die Auftritte mittlerweile verstorbener Grössen wie Hugo Loetscher oder Urs Widmer; im Gedächtnis haften bleiben aber auch die Reflexionen einer Sibylle Lewitscharoff, eines Rüdiger Safranski, eines Adolf Muschg oder eines Thomas Held, der eine halbe musikologische Bibliothek verinnerlicht hatte, um seiner Aufgabe gerecht zu werden.

Die zweifache Aufführung desselben kurzen Werks hat den Vorteil, dass Musiker wie Zuhörer die komplexe Textur beim ersten Durchgang ohne die Panik des “Schon vorbei” geniessen können, beim zweiten Mal dafür ein “déjà entendu” erleben. Für uns Produzenten von Live-Aufnahmen liefert sie zusätzliches Material für den Schnitt durch die Ton- und Bildregie und reduziert die notwendigen Nach-Aufnahmen auf ein für Dirigent und Künstler erträgliches Mass. Der dem eigentlichen Konzert vorangehende “Workshop”, ein pädagogisches Feuerwerk unseres Dirigenten Rudolf Lutz, vom Theologen Karl Graf sekundiert, versetzt den regelmässigen Besucher in die Lage, auf angenehm unterhaltsame Weise inkrementell enorm viel über Bach, seine Musik, sein Denken, sein Fühlen zu erfahren. Das prägt.

Dass Bachs Kompositionen zehn und mehr Jahre interessant bleiben würden, wusste ich zuvor. Sonst hätte ich das Riesenprojekt 2006 nie gestartet. Meine Hinwendung weg von der anfänglichen Skepsis des Aufgeklärten zu den barocken Texten hätte ich jedoch so nicht erwartet. Nicht alle, aber die meisten Kantaten sind von ausdrucksstarker, farbenreicher Dichtung geprägt. Gewiss, die Vergänglichkeit spielt eine herausragende Rolle. “Mit Fried und Freud ich fahr dahin” (BWV 125) – Martin Meyer hielt darüber eine meisterliche Reflexion – oder “Ach wie flüchtig, ach wie nichtig” (BWV 26) oder “Komm, du süsse Todesstunde” (BWV 161) befremden in unserer vordergründig so lebensfrohen Zeit. Dennoch berühren sie, denn unser derzeitiger Lebensmut hat ja auch einen Preis: den Preis der oberflächlichen Frivolität dem gegenüber dem, wogegen Bach sein “Donnerwort” hinschleudert. Die Aufklärung hat viele Knoten der von Konventionen getragenen Gläubigkeiten durchgehauen oder wenigstens gelockert, aber sie beliess die grossen Fragen unserer Existenz ungelöst: Wo komme ich her, wohin gehe ich, was hat es mit dem Bösen auf sich, was bedeutet “gut”, woher kommt Trost? Und ja, es trifft zu, wir werden laufend ermahnt. “Leichtgesinnte Flattergeister” (BWV 181) seien wir, “es reisse uns ein schrecklich Ende” (BWV 90), und verzweifelt ruft der Dichter: “Tue Rechnung, Donnerwort!” (BWV 168).

Das mag für uns Rechtschaffene schon ein wenig übertrieben sein. Doch: ist solcherlei Ermahnung zu besserer Lebensführung wirklich unzutreffender als jene eines weltanschaulich völlig unverankerten Moralismus, der in Medien und Politik allenthalben anzutreffen ist? Was, wenn die menschliche Hybris einmal implodiert? Und ja, wir werden von Bachs Musik und den barocken Texten getröstet. “Ich steh mit einem Fuss im Grabe” (BWV 156) half uns mit ihrer Eingangssinfonia über manche dunkle Stunde hinweg, und mit der Kantate “Schmücke dich, o liebe Seele” (BWV 180) wurden mir die Augen für die Gnade eines zwar vielleicht halbvollen, aber doch reichlich grossen Glases geöffnet.

Bachs Musik ohne hörbaren Bezug zum Text ist unzureichend, denn der Thomaskantor nahm den Inhalt extrem ernst und setzte jede Note bewusst, wählte jeden Rhythmus präzis und gab dem Affekt eine eindeutige Schärfe. Wir lassen deshalb die Orchestermusiker ausgiebig mit den Solisten zusammen proben, auf dass auch sie das Inhaltliche verinnerlichen. Sie sind für uns als Instrumentalisten gleichwertige Verkünder des Wortes; ihre Botschaft muss für die Zuhörer ebenso nachvollziehbar sein wie jene der Gesangssolisten und des Chores. So legen wir bei den Rezitativen grössten Wert auf Farbe und Spannung im Erzählvorgang und lassen den Generalbass durchaus frei innerhalb der vorgegebenen Harmonik improvisieren. So resultieren barocke Gemälde, die selbst bei fremdsprachigem Publikum mit Begeisterung aufgenommen werden.

Darin liegt im übrigen das Überraschendste des wahr gewordenen Traums: in der überwältigenden Rezeption unserer Trogener Produktion in den Social Media. Wir veröffentlichen Teile unserer Aufnahmen auf YouTube, wo die Kantatenteile millionenfach angeklickt werden. Auf Facebook unterhalten wir einen Bachkanal mit rund 300’000 “Freunden”. Die wichtigsten Kunden kommen aus Mexiko, Brasilien und Kalifornien. Unsere Produktion veröffentlichen wir über ein eigenes Streaming-Portal mit minimaler Bezahlschranke. Man kann sich dort nunmehr über hundert Bachkantaten samt Workshops und Reflexionen anschauen und anhören. Entfernte Fans irgendwo im Netz haben mit der Übersetzung der Inhalte ins Englische begonnen, freiwillig und gratis.

Just als Folge dieser Beliebtheit in aller Welt und des spürbaren Drucks, “unseren” Bach real und authentisch hier und dort und möglichst hautnah erleben zu wollen, kommt nun eine nächste, schwierige Herausforderung auf mein Leben mit Bach zu. Der Deutschlandfunk lud uns 2017 für eine seiner Reformationsmanifestationen, man stelle sich das einmal vor, auf die Wartburg ein, um uns von da aus weltweit auszustrahlen. Wir stehen an einem Wendepunkt: Mein Schweizer Bach wäre in der Lage, einen zweiten, grösseren Bach zu nähren. Einen Europa-Bach sozusagen, einen Strom vielleicht. Dank der unablässigen Speisung aus der allmonatlich sprudelnden Kantatenquelle von Trogen wäre es möglich, Dirigent, Chor und Orchester auf internationaler Ebene zu platzieren. Das müsste nicht einmal nur Bach betreffen; mit gefüllten Sälen im KKL, der Genfer Victoria Hall und der Tonhalle Zürich für Aufführungen von Händels Solomon, Mozarts Idomeneo und Beethovens Neunter bewies der Klangkörper bereits, dass seine konsequente Ausrichtung auf Transparenz und präzises historisches Verständnis nicht bei Bach enden muss. Ganz im Gegenteil: Die Erkenntnisse vom Umgang mit dem komplexen Thomaskantor öffnen die Augen für unerkannte Subtilitäten bei anderen Komponisten.

Ein zweiter Traum könnte also Wirklichkeit werden: Ein einzigartiges Schweizer Kulturprojekt mit internationaler Ausstrahlungskraft, die jener eines Philip Herreweghe, eines John Eliott Gardiner oder eines Ton Kopman und ihren Ensembles kaum nachsteht, sondern diesen grossen Interpreten eine eigenwillige, zusätzliche Sichtweise auf Bach und andere Komponisten zur Seite stellt. Von diesem zweiten Traum müssten andere, Dritte gepackt werden. Ansonsten ist Selbstbeschränkung angezeigt, aber gleichzeitig alles daranzusetzen, das Momentum und sich bietende Gelegenheiten nicht zu verpassen. Der Unternehmer in mir strebt wieder einmal nach Multiplikation. Wird sie Wirklichkeit werden? Vielleicht. Und sonst bleibt’s halt dabei. Trogen liegt an der Goldach. Tönt beinahe wie Goldberg. Ein Leben mit Bach müsste auch damit zufrieden sein. Es ist schon so traumhaft schön.

NZZ vom 8.3.2018, Bachs Kantaten sind Trost und Donner zugleich

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